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Rinderarbeit Teil 1: Wie fange ich überhaupt an?

Rinderarbeit-ist-Kopfarbeit

Gastbeitrag: Inhalt von Andrea Jänisch, geschrieben von Kerstin Pauly (ihre Ghostwriterin)

Die erste Frage, die ich zur Rinderarbeit mit Pferden immer gestellt bekomme, ist:

Was ist, wenn mein Pferd ausflippt, was mach ich denn dann?

Eine berechtigte Frage, wenn euer Pferd noch kein Rind gesehen hat oder erwiesenermaßen Angst vor Kühen hat.

1. Dem Rinderneuling wird ein erfahrenes Begleitpferd zur Seite gestellt

Wir fangen es im allgemeinen so an, dass das Pferd möglichst für alle Aktivitäten ein ruhiges, schon Rinder erfahrenes Begleitpferd bekommt. Zu Fuß lassen wir den Rinderneuling unsere Zebus in ihrem Paddock bzw. Laufstall anschauen.
Wichtig ist, dass es wirklich ein eher engeres Gehege ist, in dem die Rinder stehen.
Geht man nämlich auf die angrenzende Weide, wo die Kühe des benachbarten Bauern stehen, kann es sein, dass sich die ganze Herde aus lauter Neugier dem interessanten Pferd im Galopp nähert. Auch erfahrene, hartgesottene Cowhorses kriegen dann das Laufen!

Exkurs 1: Ist ja eigentlich auch logisch, dass Pferde umdrehen und weglaufen, wenn eine Herde – sei es Kühe oder andere Tiere – auf sie zulaufen. Rinder waren ursprünglich Waldrandtiere und Pferde Steppentiere, beide achten aufeinander.
Sprengt die Rinderherde aus dem Wald heraus, ist bestimmt ein Raubtier auf der Pirsch und die Pferde tun gut daran, sich der Flucht anzuschließen.
Genauso achten Rinder auf Pferde wenn sie fliehen. Siehe z. B. auch Zebras und Gnus in Afrika. Aus diesem Grund agieren Rinder und Pferde gut miteinander und man kann mit beiden Tieren gut arbeiten.

So – unser Neuling hat nun sein erstes Rind gesehen und es ist NICHTS passiert. Wir stehen alle entspannt herum und der Neuling hat seinen Herzschlag auch wieder beruhigt.

Exkurs 2: Wie sieht es mit der Rinderangst des Reiters aus? Na, mal ehrlich!!!
Wenn der Reiter Bedenken hat, sich Kühen zu nähern, spürt das Pferd das natürlich ganz genau und fühlt sich in seinen Sorgen bestätigt.
Sei ehrlich:  hast Du erhöhten Puls bei Hornträgern, dann übergib dein Pferd lieber einer ruhigen, erfahrenen Person und nimm erstmal ein homöopathisches Mittelchen von mindestens 45% – Enzian oder Korn gehen gut ;-).

Rinderneuling als Handpferd

Rinderneuling als Handpferd

Wir fahren dann so fort, dass unsere Zebuherde in die Reithalle gelassen wird und dort entspannt herum steht. Idealerweise so bei X.
Das Ausbildungspferd wird mit seinem erfahrenen Begleitpferd am Kappzaum und einem langen Seil oder Longe in die Halle geführt. Nun schaut man, wie nervös es ist.
Wichtig ist es, dass das Lehrpferd zunächst immer zwischen Rindern und Ausbildungspferd bleibt, das beruhigt ungemein.
Ist das Ausbildungspferd sehr ängstlich, bleibt man erstmal ganz weit weg von der Herde und lässt es in Ruhe beobachten.
Wenn noch andere Reiter in der Bahn sind, können sie die Rinder gerne mal umkreisen oder sie im Schritt hin und her treiben. Natürlich NICHT auf den Neuling zutreiben.

Das Ausbildungspferd wird diese Aktivitäten beobachten und lernen.
Pferde lernen sehr viel durch Zuschauen.
Ist das Pferd extrem ängstlich und panisch, so dass es zu Fuß zu gefährlich wird, kann man das „Rinderphobiepferd“ auch als Handpferd mitnehmen.
Ich habe ein sehr erfahrenes Polopferd, welches diese Aufgabe professionell ausführt.
Ein echtes Rinderphobiepferd sollte man vielleicht auch nicht alleine zu korrigieren versuchen, man braucht die erfahrenen Begleitpferde und -reiter und nicht zuletzt Pferde-erfahrene Rinder. Die ruhige Atmosphäre spielt natürlich auch eine wesentliche Rolle.

Bleiben alle cool, fühlt sich auch das Ausbildungspferd sowie Reiter wohl.

2. Der Reiter sitzt auf

Wenn dann alles ereignislos und ruhig ist – was nicht zwingend in der ersten Einheit ist – kann aufgesessen werden.
Die Herde wird wieder von den anderen Reitern bei X „gesettelt“. Mit großem Abstand umkreisen alle die Herde zunächst im Schritt, wenn es gut klappt kommen auch Trab und Galopp dazu. Die Pferde merken schnell, dass gar nichts los ist und eventuelle Unruhe kann durch die Bewegung abgebaut werden.

Die nächste Übung ist es, sich den stehenden Kühen zu nähern.

Exkurs 3: Man sollte sich überlegen mit „welchem Auge“ man sein Pferd der Herde zuerst nähert, manche Pferde sind ruhiger, wenn sie Unbekanntes zunächst mit dem linken Auge betrachten (diese Information wird in der rechten Hirnhälfte verarbeitet und ist für „intellektuelle Aufgaben, „reflektiertes Denken und Lernen“ zuständig“) oder mit dem rechten Auge (dies ist mit der linken Hirnhälfte verbunden, allerdings ist hier häufig der unreflektierte Fluchtreflex dominierend).
Wenn man sein Pferd kennt, nimmt man die Seite zuerst, bei der das Pferd mit mehr Ruhe an die Aufgabe herangeht.

Wenn es sehr nette Rinder sind – wie unsere Zebus – kann man das Pferd auch mal ein Rind beschnuppern lassen. Manchmal lecken die Zebus auch die Pferde, was dann zur totalen Entspannung bis Ekstase führt.

Rinderarbeit

Die Zebus werden entspannt durch die Halle geschoben.

Dann kann man hinter dem Lehrpferd her reiten und die Herde am besten komplett vor sich herschieben.
Dies ist ein sehr wichtiger Teil und sollte unbedingt VOR dem ersten Durchreiten der Herde geschehen. Hier bekommt der Rinderneuling Selbstbewusstsein, da die Herde WEICHT!
Eine immens wichtige Erfahrung. Wenn man merkt, dass das Ausbildungspferd verstanden hat, dass die Rinder weichen, kann die Herde vom erfahrenen Pferd geteilt werden und das Ausbildungspferd kann hinter dem Lehrpferd das erste Mal durch die Herde reiten.

Weiterführende Informationen zur Rinderarbeit und Kursen bei Andrea Jänisch in Chieming: www.andrea-jaenisch.de

 

Wie geht es weiter?
Rinderarbeit Teil 2: Dry Work – Rollbacks, Vueltas
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