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Gastbeitrag: Conny Mertens – wie Phoenix aus der Asche

Conny Mertens

Conny Mertens – ich habe sie 2013 bei der für mich ersten Jahreshauptversammlung unseres Vereins WED e.V. kennen gelernt.
Da saß sie, genau mir gegenüber, mit ihrer Halskrause und mit diesem immer fröhlichen Lachen, welches sie trotz ihres schlimmen Reitunfalls nie verloren hat.
Ich hatte die ganze Zeit dieses Gefühl, sie bereits zu kennen, vielleicht aus meiner Jugendzeit in NRW? Ich sprach sie darauf hin an und wir überlegten gemeinsam, ob wir uns in der Vergangenheit schon einmal begegnet sein könnten, doch wir fanden keine gemeinsame Zeit.
Sie erzählte mir von ihrem schlimmen Unfall (mehr darüber könnt ihr hier in ihrem Beitrag lesen) und ich sowie auch alle anderen, die davon hörten oder es bereits wussten, waren sehr betroffen von ihrem Schicksal und beeindruckt von ihrer Kraft und ihrer Energie.
In den folgenden Monaten hatten wir über Facebook und in vielen privaten Chats (oft in der Nacht) schöne Unterhaltungen, in denen sie mir so viele tolle Tipps zum Umgang mit meinem damals noch sehr schwierigen Pferd Veneroso gab. Nochmals ganz herzlichen Dank dafür, liebe Conny!
Ich verfolgte, wie viele andere auch aus unserer ‚Workerszene‘, ihren Kampf zurück in die Reiterei, der mit vielen Hochs und Tiefs verbunden war. Vielleicht schreibt sie ja auch darüber noch einen Gastbeitrag auf meinem Blog.
Vor einigen Wochen las ich dann ihren begeisterten Bericht über ihr erstes Working Equitation Turnier mit ihrem Pferd Nelly nach diesem schweren Unfall und war zu Tränen gerührt.
Ich bat sie, genau darüber einen Gastbeitrag für meinen Blog zu schreiben, weil ich überzeugt davon bin, dass diese Geschichte uns allen zeigt, was man alles schaffen kann, wenn man dafür kämpft, seine Träume zu verwirklichen.
Leidenschaft Working Equitation – gibt es einen schöneren Beweis zu brennen für diese faszinierende Reitdisziplin?

Fotos:
Anna Birdieinthesky (www.auftragskunst-thies.de)
Janine Kettlitz (Handy)
Birte Mertens (Handy)
2013

Der schwere Reitunfall

Am 04. August 2013 haben meine Nelly und ich nach anstrengendem Training gedacht, dass wir uns mal was gönnen.
So sind wir nach Cuxhaven-Sahlenburg gefahren, um ein bisschen im Watt herumzuschlendern.
Nach fast zwei Stunden mit Lachen, Scherzen, Witze erzählen und die Sonne genießen wollten wir eine Filmaufnahme machen!
So ist der erste von drei Reitern im Sonnenschein in die Kamera galoppiert. Dann kam der zweite Reiter. Danach waren Nelly und ich dran.
Wir müssen wohl 5 cm neben der Spur der anderen galoppiert sein, denn wir haben ein Wattloch getroffen. Es ging so furchtbar schnell!
Nelly war vorn einfach weg und ich lag mit dem Kinn im Watt. Leider ist Nellys Körper noch gerollt und hat mich so senkrecht nach vorn geschoben. Dabei hat es dann furchtbar geknackt in den Ohren…
Bei dem Unfall hat sich meine liebe Nelly vier Dornfortsätze im Widerrist gebrochen und ich mir das Genick gleich dreifach.

Wir hatten Glück im Unglück!!! Nach der Diagnose, dass Nelly nie wieder zu reiten ist und ich auch nie wieder reiten darf haben wir gerade unser „Meisterwerk“ vollbracht und sind nach nun drei Jahren bei einem Turnier in Heist gestartet.
Der Weg war allerdings alles andere als leicht! Aber darüber schreibe ich ein anderes Mal mehr.

2015

Working Equitation Turnier in Heist mit Doma Vaquera und Doma de Campo

worker-turnier
Was soll ich sagen? Ich bin überwältig von Nelly!
Am 27.09.2015, frühmorgens um 5 Uhr, ging die Reise los! Auf nach Heist (Lipizzaner Reitschule Johannes Beck-Broichtsitter, Veranstalter: Carola Schulz-Mass)zum ersten Working Equitation Turnier für meine Nelly!
Dort angekommen, alle lieben Menschen begrüßt und schon ging es los!

Pferde gesattelt und auf den Abreiteplatz
Zunächst war alles in Ordnung.
Doch kurz vor unserem Start in die Dressur fing Nelly an nach Fliegen zu treten. Plötzlich ging sie senkrecht hinten hoch und hat mit den Hinterbeinen in die Luft geschlagen. Ich bin sofort abgesprungen und habe sie von dem Abreiteplatz entfernt, damit sie nicht andere Pferde verletzen hätte können.
Nachdem wir sie mit Fliegenspray eingenebelt haben ging es dann auch schon los!

Die Dressurprüfung

Einreiten im Arbeitstrab, im Mittelpunkt… hopsen! Und so zog es sich durch die gesamte Prüfung, Nelly war in unserer „Stardisziplin“ im Hopsen, Schweif peitschen, spannig gegen alles sein, nicht zu schlagen! „Sprich: wir haben es verkackt!“
Nicht schlimm!  Nach kurzer Zeit fing die nächste Prüfung an!

Doma Vaquera
Siegerehrung Doma vaquera

Siegerehrung Doma vaquera

Das Fliegenspray hat gewirkt und Nelly war wieder die Alte!
Die Doma Vaquera, die ich mir zuvor zum Üben zusammengeschrieben hatte, war nicht im Ansatz das, was wir dann geritten sind! Aufgabe war komplett aus meinem Kopf gelöscht! Hast ja mal!!!
„Ok, was waren noch die Regeln? Was muss in der Prüfung drinne sein? Ach, fang erst einmal mit nem Zirkel an, kann nicht so verkehrt sein“, so meine Gedanken!
Nelly wurde immer besser, hatte sich vom „Popopieksen einer Mücke“ erholt und alles war gut!
Schulterherein, Übergang zum Travers – top! Galopp – top! Übergänge auch ok. Ja, wir waren gar nicht so schlecht und wurden mit dem Sieg belohnt!
Ok, der Sieg bei nur zwei Starten ist dann auch nicht so schwierig!

Der Trail – Doma de Campo

Nach einer wohlverdienten Mittagspause ging es an den Trail.
Kein Trail, wie er sonst immer so angeboten wird, sondern ein Geländetrail – auch Doma de Campo – der es echt in sich hatte!
Mir wurde echt schlecht, denn nach unserem Sturz sind wir so gut wie nie ausgeritten, einfach aus Angst zu stolpern…!
Und einen gesamten Trail ist Nelly noch nie in ihrem Leben vorher gegangen, im Training nur Einzelhindernisse.
Also gut! Erste Schwierigkeit: wie bekomme ich nun die 13 Hindernisse in die richtige Reihenfolge????
Bevor wir in den Parcours ritten, habe ich ihr ins Ohr geflüstert, dass wir das nur als Team überstehen können und wir uns beide jetzt wirklich Vertrauen müssen.

Dieser Ritt, liebe Nelly, holt uns aus der Hölle des Traumas

Doma Campo - der Geländetrail

Doma Campo – der Geländetrail

Was nun kommt ist Gänsehaut pur! Nelly völlig bei der Sache! Reinreiten, Halten, Grüßen, Nelly’s Ohren voll auf Sendung…!!!
Angaloppieren, Tonnen. Gut gelungen! Weiter zum Sprung, Gas rausgenommen, im Trab hinüber wegen meines Genicks! Zweiter Sprung schon etwas flüssiger, auch im Trab. Geschafft!!!
Der erste Juchzer ist mir aus dem Hals gesprungen! (So voller Glück war es mir egal, ob man in einem Trail juchzen darf oder nicht – hier ging es ja eh um viel viel mehr!!!)

Weiter im Galopp zur Brücke. Super Übergang, gut gelungen!
Galopp zur Senke! Gas rausgenommen und im Trab dadurch! Klasse gemacht! Nächster Juchzer! Nelly wurde immer besser!!!
Weiter zum Pferd! Gemeistert im Trab – sollten wir auch! Also gut!
Dann der Wasserdurchritt! Nelly ohne zu Zögern im Schritt dadurch! Supergut gemacht! Nelly stolz wie Bolle wieder angaloppiert und besser denn jeh den Stangentravers erledigt – wie von Zauberhand – auch wenn leicht das Holz berührt!
Nächstes Hindernis die Senke von der anderen Seite – diesmal bin ich galoppiert!


Und wieder konnte ich mir ein Juchzer nicht verkneifen! Das Publikum wurde auch immer lauter und hat mitgejuchzt!
Nächstes Hindernis: die Glockengasse. Gelassen rein, Nelly richtig gut gestanden und megagerade im Takt wieder rückwärts heraus.
Parallelslalom, gut hinbekommen, verbesserungswürdig auf alle Fälle!
Das Tor! Nelly hat einen megaguten Job gemacht. Allerdings beim Schließen etwas zur Seite getreten. Egal!
Dann kam eine lange Galoppstrecke zum Wall! Dort lag ein Gummiboot! Das fand Nelly dann doch etwas schaurig. Dennoch ist sie mit mir dran vorbei! Am Wall wieder Gas raus und im Trab das Hindernis bewältigt! Auch hier musste ich einfach wieder juchzen!
Hier liefen mir schon die Tränen, weil wir schon so viel geschafft hatten.
Ein letztes Hindernis! Das schwierigste überhaupt! Der Herrenhügel! Gefühlte 5 Meter (es waren sicherlich nur 3…) steil bergauf!
Oben drauf stand der Tisch mit dem Krug anheben! Nelly wirklich ohne zu zögern dort hoch, am Tisch stillgestanden und mit mir diesen vorsichtig umrundet. Wäre sie seitwärts getreten, dann hätten wir einen Kallabums vom Hügel gemacht!
Vorsichtig den Hügel wieder herunter und wieder ein Juchzen oder besser schon ein Schluchzen zum Besten gegeben!


Tränenüberströmt ins Ziel geritten. Gegrüßt und völlig die Beherrschung verloren!
Ja meine liebe Nelly, wir haben es mit diesem Ritt geschafft!!!! Minutenlang meine liebe Nelly umarmt, Rotz und Wasser geheult.
Das Publikum gleich mit! Nelly hätte man in Bronze gießen müssen. Sie hat gestanden, zufrieden und superstolz geschaut!
So schööööön und so zufrieden habe ich sie noch niemals gesehen…

Der Speedtrail

Eigentlich hätte es keine Steigerung mehr geben können! Doch!!!! Nelly hat noch einen draufgesetzt!
Diesen Parcours mussten wir noch einmal im Speedtrail reiten!  Mein Plan war, den Parcours noch einmal im Stil zu reiten. Aber es kam anders! Meine Turbonelly wusste wohl, was nun gemacht werden musste.
Also fing sie wirklich von alleine an, das Tempo zu erhöhen, die Wendungen enger zu drehen, den Stangentravers im Trab zu nehmen, in die Glockengasse herein zu galoppieren und rückwärts heraus zu traben! Senke im Galopp, allerdings durfte sie dort nur mit Bedacht durch!
Den Wasserdurchritt im Trab – ganz tolles Mädchen. Die Wallanlage im Galopp und Trab, den Herrenhügel mit Schmackes hinauf! Das war schon ganz schön schnell!!!

Somit haben wir nicht nur eine tolle Platzierung erreicht sondern ein Stück Lebensqualität zurückerkämpft – MEINE NELLY UND ICH !!!

Nelly

8 Kommentare
  1. Angelika H.
    Angelika H. sagte:

    ich freue mich sehr über diese Geschichte und kann die Gefühle komplett nachempfinden (Tränen liefen), da auch ich nach einem schweren Unfall (Genickbruch) mit meinem geliebten aber von diversen Trainern und dem Umfeld als unreitbar abgestempelten Trakehner-Wallach im letzten Jahr mit ihm „auferstanden“ bin. Wir haben zusammen den Titel „Allaround Champion“ (= bestes Paar seiner Klasse des gesamten Wochenendes) auf einem Western-Turnier bekommen. Acht Jahre haben wir dafür gekämpft (körperlich und psychisch), um einander wieder vertrauen zu können. Dieses Gefühl ist unbeschreiblich !!!!!!!!!!!

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    • Let´s go working!
      Let´s go working! sagte:

      Liebe Angelika, schon diese wenigen Zeilen über deine Geschichte bewegen mich sehr! Oh wie ich mich für euch freue! Herzlichen Glückwunsch zu eurer ‚Auferstehung‘ und zu diesem wunderbaren Titel! Acht Jahre gekämpft, Wahnsinn! Es ist ja schon ein unbeschreibliches Gefühl, Vertrauen aufzubauen zu einem vormals unreitbaren Pferd und sich gemeinsam weiterzuentwickeln (meine Geschichte), aber nach solch einem schweren Unfall dies gemeinsam wieder zu schaffen – das Gefühl ist mit Sicherheit unbeschreiblich! Ich wünsche Euch weiterhin ganz viel Glück, Gesundheit und gemeinsames Erleben, liebe Grüße, Claudia

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  2. Pferdeflüsterei
    Pferdeflüsterei sagte:

    Vielen Dank an euch beide für diese Idee und den berührenden Artikel. Ich bewundere den Mut von euch sehr, weiterzumachen und euch nicht beirren zu lassen. Es zeigt wirklich, dass wir alles schaffen können, wenn wir nur wollen.

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    • Let´s go working!
      Let´s go working! sagte:

      Ich freue mich, dass dir unser Beitrag so gut gefällt und bin auch sehr glücklich darüber, dass Conny ihre ergreifende Geschichte auf meinem Blog erzählt. Man darf den Mut niemals verlieren und sollte immer für das kämpfen, was einem wichtig ist!

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